Die Entscheidung: Kapitan Bolitho in der Falle, стр. 10

Heyward kam vom Geschutzdeck, um seine Pflicht wieder zu versehen.

Tyrell sagte:»Entlassen Sie die Wache unter Deck. Dann sollen die Unteroffiziere nach achtern kommen.»

Heyward fragte zogernd:»Wird das fur mich schlecht ausgehen?»

Tyrell klopfte ihm auf die Schulter.»Bei Gott, nein!«Er lachte uber sein Erstaunen.»Sie haben dem Kapitan einen Gefallen getan! Wenn Sie ihn eher gerufen hatten, ware er gezwungen gewesen, den Kurs zu andern. Ihr Fehler hat es ihm gestattet, eine andere Richtung einzuschlagen. «Er ging pfeifend weg, seine blo?en Fu?e verursachten auf den gischtdurchna?ten Planken ein klatschendes Gerausch.

Heyward ging uber das krangende Deck zu Buckle ans Steuer.»Ich glaube, das verstehe ich nicht.»

Buckle sah ihn zweifelnd an.»Dann versuchen Sie es nicht erst, das ist mein Rat. «Er schlurfte zum Niedergang und fugte hinzu:»Und das nachstemal, wenn Sie mit meinem Schiff lieber Gott spielen mochten, ware ich Ihnen sehr verbunden, wenn Sie es zuerst bekanntmachen wurden!»

Heyward blickte auf den Kompa? und ging zur Luvseite hinuber. Leutnant der Wache zu sein, hie? mehr, als nur einen Auftrag zu haben. Er betrachtete die gespannten Gro?segel und grinste. Das ware beinahe ins Auge gegangen, und einmal war er vom plotzlichen Wechsel der Ereignisse so uberwaltigt worden, da? er dachte, das Schiff wurde durchgehen und ihn und alle an Bord mit unwiderstehlicher Gewalt entfuhren. In den letzten Augenblicken hatte er etwas gelernt. Sollte dies alles wieder passieren, so wu?te er, was er zu tun hatte. Dessen war er ganz sicher.

Stockdale wartete in der Kajute mit Bolithos Hemd und fragte ihn, nachdem er ihm ein Handtuch gereicht hatte:»Sind Sie damals wirklich auf Wache eingeschlafen, Sir?»

Bolitho rieb sich Arme und Brust ab und fuhlte, wie das Salz auf seinen Lippen wie eine zweite Haut trocknete.

«Beinahe. «Blieb denn vor Stockdale gar nichts verborgen?» Aber wir mussen die Dinge manchmal etwas ausschmucken.»

Er stieg aus seiner tropfnassen Hose und warf sie quer durch die Kajute. Als er seinen nackten Korper weiter abrieb, lauschte er Heywards gemessenen Schritten an Deck.

Dann sagte er ruhig:»Ich habe einmal von einem Leutnant gehort, der einen Mann auspeitschen lie?, weil er vom Ausguck etwas Falsches berichtet hatte. Danach war der Seemann so eingeschuchtert, da? er bei echter Gefahr den Mund hielt, aus Furcht, wieder geschlagen zu werden. Als Folge davon lief das Schiff auf Grund, und der Leutnant ertrank.»

Stockdale beobachtete ihn aufmerksam.»Geschieht ihm recht. «Er schuttelte eine frische Hose aus und reichte sie hinuber. Ungefahr eine Minute lang sagte er nichts, aber seine Stirne blieb gerunzelt. Dann fragte er:»Und was geschah mit dem Seemann, Sir?»

Bolitho blickte ihn an.»Ich furchte, er wurde wegen Vernachlassigung seiner Pflicht ausgepeitscht.»

Stockdales zernarbtes Gesicht strahlte in einem breiten Grinsen.»Ich habe wieder mal recht, Sir — nicht wahr? Es gibt keine Gerechtigkeit auf dieser Welt!»

Bolitho setzte sich und zog seine Hose vollends an. Wie schon so oft, hatte Stockdale das letzte Wort gehabt.

Verhangnisvolles Schicksal

Leutnant Tyrell hielt sich krampfhaft an der Achterdeckreling fest und starrte angestrengt uber das Steuerbordschanzkleid.»Verdammter Nebel!«Er lehnte sich uber die Reling und versuchte verzweifelt, weiter als bis zum Vorschiff zu sehen.»Und unser gottverfluchtes Gluck!»

Bolitho sagte nichts, sondern ging zur entgegengesetzten Seite des Decks hinuber. Schon vor Beginn der Dammerung, als die Wassertiefe standig gelotet wurde und aller Augen und Ohren gespannt die ausgesungenen Werte horten, auf die Gerausche der entfernten Brandung horchten und gelegentliche Gischtspritzer in der Dunkelheit bemerkten, war er sich des immer dichter werdenden Nebels bewu?t geworden. Das war hier zu dieser Jahreszeit nicht ungewohnlich, doch hatte er erwartet, da? es beim ersten Schein der Morgensonne aufklaren wurde.

Als er jetzt querab schaute, wu?te er, da? der Nebel dichter denn je war. Er bewegte sich mit dem Wind, hing zwischen den Wanten und schien sich in die Takelage zu klammern wie blasse Schlingpflanzen. Uber den Gro?mastrahen konnte er gar nichts sehen, und abgesehen von einem freien Fleck Wassers unterhalb des Achterdecks war auch die See im wallenden Nebel verborgen. Da er mit dem Schiff Schritt hielt, nahm der Nebel den Eindruck der Bewegung weg, und man hatte das Gefuhl, als ob die Sparrow wie ein Geisterschiff in einer Wolke schwebte.

Eine Stimme unterhalb des Achterdecks rief:»Marke funf!»

Die Stimme des Seemanns wurde zum Schweigen gebracht, als diese Meldung von den Lotgasten am Anker von Mund zu Mund weitergegeben wurde. Nachdem sie uber der Sandbank waren, hatte Bolitho» Klar Schiff zum Gefecht «befohlen, und da der Nebel sowohl Sicht als auch Gerausche verschluckte, mu?ten sie jede Vorsichtsma?nahme ergreifen.

Er blickte wieder zum Gro?marssegel hinauf. Es zog das Schiff stetig uber die Untiefen, die flappende Leinwand glanzte in dem grauen Licht vor Feuchtigkeit und zeigte an, da? irgendwo uber dem Nebel die Sonne schien und vielleicht sogar Land in Sicht war.

«Tiefe vier!»

Bolitho wanderte nach achtern zum Ruder, wo Buckle mit seinen Mannern stand; der Nebel glitt durch seine gespreizten Beine und lie? ihn wie ein Gespenst erscheinen.

Er salutierte, als Bolitho naher kam, und berichtete:»Das Schiff halt sich gut, Sir. Kurs Sud zu Ost wie vorher.»

Vom Geschutzdeck horte man das kratzende Gerausch von Holz auf Holz, und als Bolitho sich umdrehte, sah er einen der langen Riemen uber dem Wasser schweben und dann wieder in die Reihe der anderen zuruckkehren. Er hatte vor einer Stunde angeordnet, die Riemen auszulegen, denn wenn der Wind abfiel oder sie auf eine Untiefe stie?en, waren sie das einzige Mittel, wieder freizukommen.

«Wahrschau an Deck!«Die Stimme des Ausgucks schien vom Nebel selbst zu kommen.»Schiff an Steuerbord!»

Bolitho starrte nach oben, und es wurde ihm zum erstenmal bewu?t, da? der Nebel leicht gelblich war wie der Nordseenebel. Endlich Sonne. Hoch uber dem Deck, isoliert durch eine Nebelschicht, hatte der Ausguck ein anderes Schiff entdeckt.

Er sah, da? Tyrell und die anderen ihn beobachteten; sie alle waren vom Ruf des Ausgucks in ihren verschiedenen Tatigkeiten aufgeschreckt worden.

Bolitho sagte:»Ich werde aufentern, Mr. Tyrell. «Er machte seinen Sabel los und ubergab ihn Stockdale.»Passen Sie gut auf und vergewissern Sie sich, da? der Anker jeden Moment geworfen werden kann, wenn notig. «Er eilte zum Schanzkleid, hin und her gerissen zwischen dem unerwarteten Anblick eines fremden Schiffes und der wachsenden Ubelkeit beim Gedanken, in den Ausguck hinaufzusteigen.

Dann schwang er sich hinaus in die Gro?wanten und ergriff die bebenden Taue mit solcher Kraft, da? man den Eindruck gewinnen konnte, das Schiff sei in einem Orkan. Durch die Wanten hindurch sah er Graves unten auf dem Geschutzdeck mit eingezogenen Schultern stehen, nicht rechts und nicht links blickend.

Bethune stand in seiner Nahe, eine Hand ruhte auf einem Zwolfpfunder, die andere beschattete seine Augen, als er in den Nebel hinaufspahte. Uberall auf dem Schiff standen die Leute wie Statisten herum, die blo?en Rucken feucht vom Wasser, das unablassig von der Takelage heruntertropfte, so da? es aussah, als schwitzten sie, als kamen sie gerade aus einer Schlacht.

Hie und da sah man ein kariertes Hemd oder die dunkelblau und wei?en der Feuerwerkersmaaten, die sich von den ubrigen abhoben, als hatte der Kunstler gerade noch Zeit gefunden, ihnen die richtige Haltung zu geben, ehe er zu einem anderen Teil des Bildes uberging.

«Marke funf!«Der Laut kam vom Vorschiff wie eine Klage.

In Gedanken stellte Bolitho sich die Karte vor. Die Flut war jetzt auf ihrem Hohepunkt. Bald wurden auch die sogenannten sicheren Rinnen zwischen den Untiefen und Sandbanken naher zueinanderrucken wie gro?e Kiefer, die sich um die Beute schlie?en.