Kanonenfutter - Leutnant Bolithos Handstreich in Rio, стр. 68

Macmillan druckte sich an der Lamellentur herum, bis das Auge des Kommandanten auf ihn fiel.

«Mr. Timbrell la?t gehorsamst fragen, Sir, ob Sie das Schiff abdunkeln wollen?»

Dumaresq schuttelte langsam den Kopf.»Diesmal nicht. Ich mochte, da? Garrick uns sieht. Seine gro?e Schwache ist — abgesehen von seiner Habgier — sein Jahzorn. Ich habe vor, ihn noch zorniger zu machen, bevor es tagt.»

Macmillan offnete die Tur, und die Offiziere und Fahnriche zogen sich dankbar zuruck. Nur Palliser blieb; Bolitho nahm an, da? er die technischen Einzelheiten lieber allein und ohne Storung mit dem Kommandanten besprechen wollte.

Als die Tur sich schlo?, wandte Dumaresq sich seinem Ersten Offizier zu und wies auf einen Sessel.»Es gibt noch etwas, habe ich recht?»

Palliser setzte sich und streckte die langen Beine aus. Einen Augenblick rieb er sich die Augen mit den Handknocheln, ehe er sagte:»Sie hatten recht, was Egmont betrifft, Sir. Selbst als Sie ihn auf ein Schiff mit Kurs Basseterre gesetzt hatten, versuchte er noch, Garrick zu warnen oder mit ihm in Verbindung zu treten. Wie das geschah, werden wir wohl nie erfahren. Er wechselte offenbar auf ein kleines, schnelleres Schiff uber und nahm nordlichen Kurs durch die Inselgruppe, um vor uns da zu sein. Doch wie es auch war, seine Warnung an Garrick war verschwendet.»

Er fa?te in seine Tasche und zog einen goldenen Halsschmuck mit dem doppelkopfigen Vogel und den rubinschimmernden Schwanzfedern heraus.

«Garrick hat beide Egmonts ermorden lassen. Diesen Schmuck habe ich einem unserer Gefangenen abgenommen. Der Matrose, von dem ich Ihnen berichtete, erzahlte mir den Rest.»

Dumaresq nahm das schwere Schmuckstuck in die Hand und betrachtete es traurig.

«Murray hat es gesehen?»

Palliser nickte.»Er ist verwundet worden. Ich habe ihn auf den Schoner geschickt, bevor er mit Mr. Bolitho sprechen konnte.»

Dumaresq trat wieder an die Heckfenster und sah zu, wie der Schoner abdrehte und ihnen das Heck zeigte. Seine Segel schimmerten so golden wie der Halsschmuck in seiner Hand.

«Das war sehr uberlegt gehandelt. Fur das, was er gesagt und getan hat, wird Murray in England aus der Marine entlassen werden.

Ich bezweifle, da? sein Weg sich jemals wieder mit dem Bolithos kreuzen wird.»

«Dann wollen Sie ihm also nichts davon sagen, Sir? Ihn nicht wissen lassen, da? Aurora Egmont tot ist?»

Dumaresq beobachtete die Schatten, die den Rumpf des davonse-gelnden Schoners bereits verhullten.

«Von mir wird er nichts erfahren. Morgen mussen wir kampfen, und da mu? jeder Offizier und jeder Mann alles geben, was er hat. Richard Bolitho hat bewiesen, da? er ein guter Offizier ist. Wenn er den morgigen Tag uberlebt, wird er ein noch besserer sein. «Dumaresq klappte ein Fenster auf und warf den Schmuck ohne Zogern ins Kielwasser der Destiny. »Ich lasse ihm seinen Traum. Es ist das mindeste, was ich fur ihn tun kann.»

In der Messe sa? Bolitho in einem Sessel und lie? die Arme hangen, wahrend die Spannung in ihm wie feiner Sand in einem Stundenglas verrann. Rhodes sa? ihm gegenuber und starrte in ein leeres Weinglas, ohne etwas zu erkennen.

Immer wieder stand ein neuer Morgen mit seinen Anforderungen vor ihnen. Es war wie der Horizont: sie erreichten ihn nie.

Bulkley trat ein und lie? sich schwerfallig zwischen ihnen nieder.»Ich habe mich gerade mit unserem starrkopfigen Seesoldaten abgegeben.»

Bolitho nickte trubsinnig. Colpoys hatte darauf bestanden, bei seinen Leuten auf der Fregatte zu bleiben. Gut versorgt und so bandagiert, da? er nur einen Arm bewegen konnte, hatte er kaum Kraft genug, sich auf den Beinen zu halten.

Palliser trat ein und warf seinen Hut auf eine Kanone. Kurz schaute er sie an und sah dabei wahrscheinlich den Raum schon so vor sich, wie er morgen fruh aussehen wurde: ohne Mobel, die leichten Wande herausgenommen, die kleinen personlichen Dinge vor Rauch und Feuer in Sicherheit gebracht.

Dann sagte er scharf:»Es ist Ihre Wache, scheint mir, Mr. Rhodes. Der Master sollte nicht alles allein machen mussen, wie Sie wissen.»

Rhodes erhob sich muhsam und grinste.»Aye, aye, Sir. «Wie ein Schlafwandler wankte er aus der Messe.

Bolitho hatte nichts davon gehort. Er dachte an Aurora. Er benutzte die Erinnerung an sie wie ein Schild, mit dem er die Bilder und Ereignisse dieses Tages von seinem Innern fernhielt.

Dann stand er abrupt auf und entschuldigte sich bei den anderen, als er sich in die private Sphare seiner Kammer zuruckzog. Er wollte nicht, da? sie seine Niedergeschlagenheit bemerkten. Denn als er sich bemuht hatte, im Geiste Auroras Gesicht zu sehen, war nur ein verschwommenes Trugbild erschienen. Nicht mehr.

Bulkley schob eine Flasche uber den Tisch.»War's schlimm?»

Palliser uberlegte.»Es wird noch schlimmer. «Aber eigentlich dachte er an den juwelenbesetzten Halsschmuck, der jetzt achteraus auf dem Meeresgrund lag: eine private Beisetzung.

Der Arzt stie? nach:»Ich freue mich uber Murray. Das ist ein kleiner Lichtblick in all dem Elend. Gut zu wissen, da? er frei von Schuld ist.»

Palliser schaute weg.»Ich mache jetzt meine Runde und lege mich dann ein paar Stunden aufs Ohr.»

Bulkley seufzte.»Ich auch. Ich wollte aber darum bitten, da? ich Spillane, den provisorischen Schreiber, ausgeliehen bekomme. Auch ich bin knapp an Leuten.»

Palliser hielt an der Tur inne und sah Bulkley mit leerem Blick an.»Da mussen Sie sich aber beeilen. Morgen fruh wird er vielleicht schon hangen, um Garricks Zorn weiter anzuheizen. Er war namlich sein Spion. Murray hat gesehen, wie Spillane den Leichnam des alten Lockyer durchsuchte, als er an Bord gebracht wurde. «Die Mudigkeit verwischte Pallisers Worte.»Spillane versuchte, Murray mit Jurys Uhr zu kompromittieren und einen Keil zwischen Vor- und Achterdeck zu treiben. So etwas hat es schon ofter gegeben. «Mit plotzlich aufsteigender Bitterkeit setzte er hinzu:»Spillane ist genauso ein Morder wie Garrick.»

Ohne ein weiteres Wort marschierte er aus der Messe; als Bulkley sich umwandte, sah er, da? Pallisers Hut noch immer auf der Kanone lag.

Was morgen auch geschah, nichts wurde je wieder so sein wie bisher, dachte der Arzt, und diese Einsicht machte ihn sehr traurig.

Als die Dunkelheit schlie?lich den Horizont verwischte und der flache Hugel uber der Insel Fougeaux verschwunden war, spiegelten sich die Lichter der Destiny immer noch wie wachsame Augen im Wasser.

XVII Die Schlacht

Uber Nacht schien die Insel Fougeaux geschrumpft zu sein, denn als das erste schwache Licht den Horizont erhellte, sah sie nicht viel gro?er aus als eine Sandbank, Steuerbord voraus von der Destiny.

Bolitho setzte sein Fernglas ab und lie? damit die Insel in den Schatten zurucksinken. Binnen einer Stunde wurde er strahlendem Sonnenschein weichen. Er wandte dem Land den Rucken und marschierte langsam auf und ab. Das Schiff hatten sie schon wahrend der Nachtwachen fast gefechtsklar gemacht. Die Seeleute kannten sich an Deck und rund um die Masten so gut aus, da? wenig ubrigblieb, was sie erst bei Tageslicht erledigen konnten. Dumaresq hatte das mit der gleichen peinlichen Genauigkeit geplant wie alles, was er anpackte. Seine Manner sollten einsehen, da? der Kampf ebenso unvermeidbar war wie die Tatsache, da? einige von ihnen, wenn nicht gar alle, niemals wieder eine Fahrt mit der Destiny antreten wurden. Es gab nur einen anderen Weg, und der war auf der Seekarte des Masters mit zweitausend Faden [15] eingezeichnet und fuhrte senkrecht nach unten.

Dumaresq sorgte aber auch dafur, da? seine Leute so ausgeruht wie moglich waren, wenn sich der Feind zeigte, und nicht erschopft von aufreibenden Gefechtsvorbereitungen.

Palliser erschien auf dem Achterdeck und sagte nach einem fluchtigen Blick auf Kompa? und Segel:»Ich hoffe, die Freiwache ist gleich fertig mit dem Fruhstuck?»

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15

ca. 3700 m