Kanonenfutter - Leutnant Bolithos Handstreich in Rio, стр. 65

Sogar der Wein, warm und trube, wie er war, schmeckte ihm fast wie Bordeaux.»Da kommen sie, Sir! Da kommen die Lumpen!«Bolitho warf den Becher beiseite und hob seinen Sabel auf.»Alle Mann — Achtung!»

Er warf einen Blick nach hinten, ob Little und seine Leute zurechtkamen. Die Kanone hatte sich noch nicht bewegt. Wenn sie die gewunschte Panik hervorrufen sollte, mu?te sie recht bald feuern.

Auf einmal horte er vielstimmiges Geschrei, und als er an die Brustwehr trat, sah er eine Menge Manner den Hugel heraufsturmen. Die Sonne spiegelte sich in ihren Sabeln und Entermessern, und die Luft hallte wider vom Peitschenknall zahlreicher Musketen- und Pistolenschusse.

Bolitho schaute zu Colpoys hinuber.»Seid ihr bereit, Seesoldaten?«»Feuer!»

XVI Nur ein Traum

«Feuer einstellen!»

Bolitho ubergab seine Pistole einem Verwundeten zum Nachladen. Es kam ihm vor, als ob jede Faser seines Korpers unkontrollierbar zitterte, und er konnte es kaum glauben, da? der erste Angriff zuruckgeschlagen war. Einige Gegner, welche die Spitze des Hugels fast erreicht hatten, lagen da, wo sie gefallen waren; andere versuchten noch, sich unter Schmerzen nach unten in Sicherheit zu bringen.

Colpoys kam zu ihm heruber, sein Hemd klebte ihm wie eine zweite Haut am Korper.»Gro?er Gott!«Er wischte sich den Schwei? aus den Augen.»Da hort die Gemutlichkeit auf!»

Drei weitere Matrosen hatte es erwischt, aber sie lebten noch. Pearse war schon dabei, sie mit uberzahligen Musketen und Pulverhornern zu versorgen, damit sie bei einem neuen Angriff Schnellfeuer geben konnten. Und danach.? Bolitho musterte seine keuchend beieinandersitzenden Leute. Die Luft war schwer von atzendem Pulverqualm und dem su?lichen Geruch nach Blut.

Little rief:»Noch funf Minuten, Sir!»

Der Angriff war so heftig gewesen, da? Bolitho Leute von der Geschutzbedienung hatte zu Hilfe holen mussen, um die schreiend ansturmenden Feinde zuruckzuschlagen. Jetzt warfen Little und Stock-dale mit ausgesuchten Mannern ihr ganzes Gewicht auf die holzernen Spaken, um die Kanone so weit herumzudrehen, da? sie auf den Ankerplatz gerichtet war.

Bolitho hob das Teleskop und studierte die sechs bewegungslos daliegenden Schiffe. Das eine, ein Toppsegelschoner, sah sehr ahnlich aus wie der, mit dem die Heloise Bekanntschaft gemacht hatte. Keines traf Anstalten zum Ankerlichten. Er schlo? daraus, da? ihre Kapitane damit rechneten, die Hugelbatterie wurde die unverschamten Eindringlinge zerschmettern, bevor sie weiteres Unheil anrichten konnten.

Er nahm einen Becher Wein von Pearse entgegen, ohne zu sehen, was er tat. Wo, zum Teufel, blieb Palliser? Er mu?te doch bemerkt haben, was sie vorhatten. Verzweiflung wollte Bolitho packen. Angenommen, der Erste Offizier glaubte, das Geschutzfeuer und der ganze Hollenlarm bedeuteten, da? Bolithos Gruppe entdeckt und systematisch vernichtet worden war? Er rief sich Dumaresqs eigene Worte in Erinnerung, bevor sie das Schiff verlassen hatten:»Dann kann ich Ihnen nicht helfen. «Es war anzunehmen, da? Palliser den gleichen Standpunkt vertrat.

Bolitho wandte sich um und versuchte, seine plotzliche Verzagtheit zu verbergen, wahrend er fragte:»Wie lange noch, Little?«Es fiel ihm ein, da? der Stuckmeistersmaat ihm das gerade zugerufen hatte und da? Colpoys und Cowdroy ihn besorgt beobachteten.

Little richtete sich auf.»Fertig!«Er buckte sich wieder und schielte am langen schwarzen Geschutzrohr entlang.»Jetzt das Pulver, Jungs! Rammt die Ladung ein!«Er kroch wie eine riesige Spinne um das Bodenstuck der Kanone, man sah nur noch Arme und Beine von ihm.

«Dies mu? behutsam und genau erledigt werden!»

Bolitho leckte sich die Lippen. Er sah zwei Seeleute mit einer Trage zur Feuerstelle gehen, wo ein anderer mit einer Zange in den Fausten darauf wartete, ihnen die gluhend hei?e Kugel zu ube rgeben. Was dann kam, hing stets vom guten Timing und vom Gluck ab. Die Kugel mu?te in die Rohrmundung eingefuhrt und fest auf den doppelten Ladepropfen uber dem Pulver gesto?en werden. Wenn die Kanone losging, bevor der Mann mit dem Ansetzer fertig war, wurde er von der Kugel zerfetzt. Andererseits konnte es passieren, da? das Geschutzrohr platzte. Kein Wunder, da? Schiffsfuhrer sich furchteten, an Bord gluhende Kugeln zu verwenden. Stockdale nickte beifallig.

Colpoys sagte plotzlich:»Ich sehe Leute druben auf dem Hugel. Sie nehmen uns gleich unter Feuer. «Ein Mann rief:»Sie sammeln sich zu einem neuen Angriff!«Bolitho lief an die Brustwehr und lie? sich auf ein Knie nieder. Er konnte kleine Gestalten sehen, die sich zwischen den Felsbrocken bewegten, und andere, die Stellungen am Abhang bezogen. Das war kein ungeordneter Pobelhaufen. Garrick hatte seine Leute wie eine Privatarmee gedrillt.»Legt an!»

Die Musketenlaufe wurden gehoben und flimmerten im blendenden Sonnenlicht, als jeder Mann sich ein Ziel zwischen den Felsbrocken suchte. Die erste Salve rollte uber die Brustwehr, aber Bolitho wu?te, da? weitere Angreifer sich unter dem Schutz des eigenen Deckungsfeuers zur anderen Seite des Abhangs vorarbeiteten.

Er warf einen kurzen Blick auf Little, der die Hande wie zum Segen ausgebreitet hielt.»Jetzt die Kugel!»

Bolitho ri? den Blick von ihm los und feuerte seine Pistole auf drei Manner ab, die fast den Gipfel erreicht hatten. Andere schwarmten seitlich aus und boten ein schlechtes Ziel. Die Luft vibrierte von markerschutterndem Geschrei und von Fluchen, viele davon in Englisch.

Zwei Gestalten sprangen uber die Brustwehr und warfen sich auf einen Matrosen, der sich verzweifelt bemuhte, seine Muskete neu zu laden. Bolitho sah, wie sich sein Mund zu einem lautlosen Schrei offnete, als der eine Angreifer ihn mit seinem Sabel aufspie?te und sein Gefahrte ihn mit einem schrecklichen Schlag fur immer zum Schweigen brachte.

Bolitho machte einen Ausfall, schlug eine Klinge beiseite und hieb den Fechtarm des Mannes mit einer schnellen Bewegung nieder, bevor der wu?te, was ihm geschah. Er spurte es im Handgelenk, wie sein Sabel Fleisch und Knochen durchschnitt, verga? aber den schreienden Mann, als er mit einer Wildheit, die er bisher nicht gekannt hatte, auf dessen Gefahrten eindrang.

Ihre Klingen schlugen zusammen, aber Bolitho stand auf losem Gestein und konnte das Gleichgewicht kaum halten.

Der ohrenbetaubende Knall von Littles Kanone lie? den anderen Mann stolpern, und als er die Folgen begriff, stieg plotzliches Entsetzen in seine Augen. Bolitho stie? zu und war schneller uber die Brustwehr zuruckgesprungen, als der entseelte Korper seines Gegners zu Boden sinken konnte. Little schrie:»Seht euch das an!»

Bolitho sah eine in sich zusammenfallende, mit Dampf gemischte Wassersaule an der Stelle, wo die Kugel zwischen zwei Schiffen eingeschlagen hatte. Kein Treffer, aber die Wirkung wurde zweifellos Panik auslosen.

«Auswischen, Jungs!«Little hupfte vor Begeisterung auf dem Rand des Geschutzstandes, wahrend die Manner mit der Trage zur Feuerstelle rannten, um eine neue Kugel zu holen.»Mehr Pulver hinein!»

Colpoys kam uber den blutbespritzten Felsgrund heran und meldete:»Wir haben drei weitere Manner verloren. Auch einer von meinen Scharfschutzen ist dabei. «Er wischte sich die Stirn mit dem Arm, wobei ihm der goldverzierte Sabel vom Handgelenk baumelte. Bolitho sah, da? die gebogene Klinge fast schwarz war von geronnenem Blut.

Noch einem Angriff wie dem letzten konnten sie nicht standhalten. Obwohl der Abhang und der Rand der Brustwehr mit Leichen bedeckt war, wu?te Bolitho, da? da unten noch viele Leute warteten, die sich zu einem neuen Angriff sammeln konnten. Und sie hatten mehr Angst vor Garrick als vor der Handvoll zerlumpter Seeleute, die sie oben erwarteten.

«Jetzt!«Little senkte die Lunte zum Zundloch, und die Kanone rollte abermals mit einem gleichzeitigen Donnerschlag zuruck. Bolitho sah blitzartig, wie die Kugel stieg und dann im Bogen auf die unbeweglichen Schiffe herabfiel. Er bemerkte eine kleine Rauchwolke und da? sich etwas Kompaktes von dem nachstliegenden Schoner loste und durch die Luft segelte, bevor es seitlich ins Wasser platschte.