Kanonenfutter - Leutnant Bolithos Handstreich in Rio, стр. 40

Eine Pieke stie? an Bolithos Hufte vorbei und spie?te einen Mann auf, der versucht hatte, seinen beiden Kameraden durch die Gasse zu folgen. Er schrie auf und versuchte, sich die Pieke mit blutenden Fingern aus dem Leib zu ziehen, bis Stockdale aus dem Gedrange auftauchte und ihm mit seinem Entermesser den Garaus machte.

Midshipman Ingrave war zu Boden gegangen und hielt sich mit beiden Handen den Kopf, wahrend die kampfbesessenen Manner ha?erfullt uber ihn hinwegtorkelten.

Uber allem Kampfeslarm horte Bolitho Pallisers Stimme:»Zu mir, Jungs!«Dem folgte wildes Geschrei, und mit Staunen sah Bolitho eine dichte Menge den Niedergang und das vordere Luk hochquellen,

um mittschiffs zu Palliser zu sto?en. Auf dem Weg dorthin klatschten ihre nackten Klingen bereits auf die uberraschten Enterer nieder.

«Treibt sie zuruck!«Palliser bahnte sich einen Weg durch seine Leute und schien sie zu neuer Anstrengung zu beflugeln.

Bolitho sah schattenhaft eine Gestalt auf sich zuspringen und schlug mit aller Kraft zu. Der Mann stohnte auf, als die Sabelklinge ihn quer uber dem Leib traf. Er fiel auf die Knie und pre?te beide Hande auf die schreckliche Wunde, wahrend jubelnde Matrosen uber ihn hinwegstolperten.

Es konnte nicht wahr sein und stimmte doch: Aus der sicheren Niederlage war ein Gegenangriff geworden, und die Feinde zogen sich bereits unter den Schlagen von Pallisers Leuten in wilder Flucht zuruck.

Bolitho hatte erkannt, da? es die Gefangenen waren, die ursprungliche Besatzung der Heloise, die Palliser freigelassen und fur seine Ziele gewonnen hatte. In seinem Kopf wirbelte es jedoch wild durcheinander, als er mit den ubrigen weiterkampfte, mit schmerzender Schulter und einem bleischweren sabelfuhrenden Arm. Palliser mu?te ihnen eine Gegenleistung fur ihre Hilfe versprochen haben. Einige von ihnen waren schon gefallen, aber ihr plotzliches Eingreifen hatte die Manner von der Destiny mit neuem Mut erfullt. Au?erdem bemerkte Bolitho, da? einige Piraten auf ihr Schiff zuruckgeklettert waren. Als er sich zum erstenmal wieder umschauen konnte, sah er, da? die Leinen mit den Enterhaken durchtrennt waren und der Schoner sich bereits von ihnen gelost hatte. Bolitho lie? den Arm sinken und blickte zum zweiten Schoner, der seine Segel dichtholte und den Wind nutzte, um sich von der entmasteten, blutuberstromten, aber siegreichen Brigg freizuhalten. Manner jubelten und klopften einander auf die Schultern. Andere halfen ihren verwundeten Kameraden oder rannten herum und riefen die Namen von Freunden, die nicht mehr antworten konnten.

Ein Pirat, der sich totgestellt hatte, rannte plotzlich zum Schanzkleid, als er begriff, da? sein eigenes Schiff den Kampf abgebrochen hatte. Das war Olssons Augenblick: Sorgsam zog er ein Messer aus dem Gurtel und warf es. Es zuckte auf wie ein Lichtblitz. Bolitho sah den Mann sich in vollem Lauf um seine Achse drehen, die Augen staunend aufgerissen, wahrend das Heft des Messers zwischen seinen Schultern hervorragte.

Little zog das Messer heraus und warf es dem Schweden wieder zu:»Fang!«Dann hob er den Leichnam auf und warf ihn uber Bord.

Palliser schritt die ganze Lange des Decks entlang, den Sabel uber der Schulter, von dem es rot auf seinen Rock heruntertropfte.

Bolitho fing seinen Blick auf und sagte heiser:»Wir haben's geschafft, Sir. Ich hatte nie geglaubt, da? es klappt.»

Palliser beobachtete, wie die freigelassenen Gefangenen ihre Waffen zuruckgaben und dann einander anstarrten, als seien sie von dem, was sie getan hatten, selbst uberwaltigt.

«Ich auch nicht, ehrlich gesagt.»

Bolitho wandte sich um und sah, wie Jury sich bemuhte, Ingraves Kopf zu verbinden. Beide hatten also uberlebt.

Er fragte:»Glauben Sie, da? sie nochmals angreifen?»

Palliser lachelte.»Wir haben zwar keine Masten mehr, aber sie haben noch welche. Ihre Ausguckposten konnen weiter sehen als wir. Ich bezweifle, da? wir den Sieg nur einer Kriegslist verdanken.»

Palliser hatte recht wie immer. Innerhalb einer Stunde zeichnete sich die vertraute, sonnenbeschienene Segelpyramide der Destiny am Horizont ab. Sie waren nicht mehr allein.

X Eines Mannes Verlangen

Die Kajute der Destiny kam Bolitho nach der Enge auf der Brigg Ro-sario unnaturlich gro? und leer vor. Ungeachtet dessen, was er durchgemacht hatte, fuhlte er sich hellwach und fragte sich selber, woher diese frische Energie kam.

Den ganzen Tag uber hatte die Fregatte in Luv der Rosario beigedreht gelegen. Wahrend der Rest von Pallisers Gruppe und die Verwundeten zur Destiny gebracht wurden, hatten andere Boote frische Leute und allerlei Material zur Brigg gepullt, um deren Besatzung beim Aufrichten eines Notmastes und den notwendigsten Ausbesserungsarbeiten zu helfen, damit sie den nachsten Hafen erreichen konnte.

Dumaresq sa? am Tisch, vor sich einen unordentlichen Haufen Se e-karten und Papiere, die Palliser von der Rosario mitgebracht hatte. Er war ohne Uniformrock, und wie er so in Hemdsarmeln und mit lose geschlungenem Halstuch dasa?, sah er keineswegs aus wie der Kommandant einer Fregatte.

Er sagte:»Sie haben Ihre Sache gut gemacht, Mr. Palliser. «Er schaute hoch, der Blick seiner weit auseinanderstehenden Augen wanderte zu Bolitho.»Und Sie auch.»

Bolitho dachte an ihr letztes Beisammensein, als er und Palliser von Dumaresq scharf zurechtgewiesen worden waren.

Dumaresq schob die Papiere beiseite und lehnte sich in seinem Sessel zuruck.»Zu viele Tote. Und die Heloise auch verloren. «Er wischte den Gedanken weg.»Aber Sie haben die richtige Entscheidung getroffen, Mr. Palliser, und haben sie tapfer ausgefuhrt. «Er schenkte ihm ein Lacheln.»Ich werde die Leute der Heloise mit der Rosario zuruckschicken. Soweit wir erfuhren, scheint ihr Anteil an den Geschehnissen gering gewesen zu sein. Sie waren von der Brigg angeheuert oder sogar gepre?t worden, und als sie erkannten, da? es nicht um eine kurze Fahrt entlang der Kuste ging, waren sie schon zu weit drau?en auf dem Atlantik. Ihr Kapitan Triscott und seine Maaten sorgten dafur, da? sie in Unwissenheit blieben. Darum werden wir sie alle der Fursorge der Rosario uberlassen. «Er deutete auf seinen Ersten Offizier.»Aber erst, nachdem Sie einige gute Leute, die Sie brauchen, um unsere Verluste zu ersetzen, ausgewahlt und verpflichtet haben. Der Dienst des Konigs wird eine eindrucksvolle Abwechslung fur sie sein.»

Palliser fischte sich mit langem Arm ein Glas Wein vom Tablett des Kommandantenstewards, der sich diskret hinter ihnen bewegte.»Was geschieht mit Egmont, Sir?»

Dumaresq seufzte.»Ich habe befohlen, ihn und seine Frau noch vor Sonnenuntergang an Bord zu bringen. Sie befinden sich unter Aufsicht von Leutnant Colpoys. Ich wollte, da? Egmont bis zum letzten Agenblick druben bleibt, damit er sieht, was er mit seiner Habgier und Verraterei sowohl der Besatzung der Brigg wie meiner eigenen angetan hat. «Dumaresq sah Bolitho an.»Unser Arzt hat mir bereits von dem Schiff berichtet, das Sie beide in solcher Heimlichkeit aus Rio auslaufen sahen. Egmont war in Sicherheit, so lange er unentdeckt blieb. Aber wer die Rosario kapern lie?, der wollte auch, da? Egmont getotet wurde. Aus den Seekarten der Brigg ist zu schlie?en, da? ihr Ziel die Insel Saint Christopher war. Egmont war bereit, dem Kapitan jede Summe zu zahlen, damit er ihn hinbrachte, und zwar unverzuglich, ohne unterwegs andere Hafen anzulaufen. «Ein Lacheln uberzog langsam sein Gesicht.»Also ist das der Ort, an dem sich Sir Garrick aufhalt.»

Er nickte, um seine Behauptung zu bekraftigen.»Die Jagd ist also fast beendet. Mit Egmonts beschworener Aussage — und er hat jetzt keine andere Wahl — werden wir das Piratennest ein fur allemal dem Erdboden gleichmachen. «Er bemerkte Bolithos fragenden Blick und fugte hinzu:»Die Karibik hat schon viele marchenhafte Reichtumer entstehen sehen, namlich die von Piraten, ehrlichen Kaufleuten, Sklavenhandlern und Glucksrittern aller Art. Und wo gabe es einen geeigneteren Platz, an dem alte Feinde ungestort ihr Suppchen kochen konnten?»