Kanonenfutter - Leutnant Bolithos Handstreich in Rio, стр. 32

In diesem Augenblick stampfte die Muskete des Kajutpostens drau?en wieder auf.»Der Erste Offizier, Sir!»

Bolitho beobachtete, wie Palliser die Kajute betrat, den Tagesdienstplan unter dem Arm. Er sah hagerer aus als sonst, als er sagte:»Die Wasserprahme sollen heute endlich kommen, Sir. Ich werde Mr. Timbrell sagen, da? er sich entsprechend vorbereitet. Ferner stehen zwei Leute zur Beforderung an, und dann ist da noch die Frage, wie der Korporal bestraft werden soll, der Murray entkommen lie?. «Sein Blick wanderte zu Bolitho, dem er ein kurzes Nicken gonnte.

Bolitho fragte sich, ob es Zufall war, da? Palliser sich immer in der Nahe aufhielt, wenn er selbst mit dem Kommandanten sprach.

«Sehr gut, Mr. Palliser, obwohl ich erst an diese Wasserprahme glaube, wenn ich sie sehe. «Dumaresq schaute Bolitho an.»Bringen Sie Ihren Aufzug in Ordnung und fahren Sie dann an Land. Ich glaube, Mr. Egmont hat einen Brief fur mich.»

Er lachelte fluchtig.

«Halten Sie sich nicht zu lange auf, denn ich wei?, da? es viele Ablenkungen in Rio gibt.»

Bolitho spurte, wie er rot anlief.»Aye, Sir. Ich werde mich sofort auf den Weg machen. «Er eilte aus der Kajute und horte noch Duma-resq» junger Teufel «sagen, aber ohne Bosheit in der Stimme.

Zwanzig Minuten spater sa? Bolitho in der Jolle und wurde an Land gepullt. Er sah, da? Stockdale als Bootssteurer fungierte, befragte ihn aber nicht deswegen. Stockdale schien schnell Freunde zu gewinnen, obwohl sicher auch seine furchterregende Erscheinung damit zu tun hatte, da? man ihm so viel Bewegungsfreiheit lie?.

Stockdale befahl plotzlich:»Auf Riemen!»

Die Riemen ruhten tropfend in den Rundsein, und Bolitho bemerkte, da? die Jolle Fahrt verlor und damit vermied, da? sie von einem anderen Schiff uber den Haufen gesegelt wurde. Es war eine Brigg, ein kraftiges, aber offenbar nicht mehr neues Schiff mit geflickten Segeln und manchen Schrammen am Rumpf, die auf harte Kampfe mit We l-len und Wind hinwiesen.

Die Brigg hatte schon Marssegel gesetzt, und Leute kletterten gerade an den Stagen herunter, um auch die Breitfock loszumachen, noch bevor sie frei waren von den vor Anker liegenden Schiffen.

Langsam glitt sie zwischen der Jolle der Destiny und einigen einlaufenden Fischerbooten hindurch, dabei fiel ihr Schatten auf die Ruderer, die vor sich hintraumten und darauf warteten, da? es weiterging.

Bolitho las den Namen uber ihrem Heck: Rosario. Eines von Hunderten ahnlicher Fahrzeuge, die taglich Sturmen und anderen Gefahren trotzten, um Handel zu treiben und die Grenzen des wachsenden Kolonialreiches weiter vorzuschieben.

Stockdale befahl:»Rudert an!»

Bolitho wollte seine Aufmerksamkeit gerade auf das Ufer richten, als er eine Bewegung am Heckfenster der Rosario bemerkte. Im ersten Augenblick dachte er, es sei ein Irrtum, aber das war es nicht: Das schwarze Haar und ovale Gesicht waren unverkennbar. Sie war zu weit weg, als da? er das Violett ihrer Augen erkennen konnte, doch sah er, da? sie zu ihm heruberschaute, bevor die Brigg Kurs anderte und das Sonnenlicht die Heckfenster in feurige Spiegel verwandelte.

Mit bangem Herzen erreichte Bolitho das Haus hinter der uralten Mauer. Egmonts Diener erklarte ihm kuhl, da? die Herrschaften abgereist seien. Er wu?te nicht, wohin.

Bolitho kehrte an Bord zuruck, um Dumaresq zu berichten. Er erwartete einen neuerlichen Zornesausbruch wegen des abermaligen Ruckschlags.

Palliser stand dabei, als Bolitho mit dem herausplatzte, was er erfahren hatte, obwohl er nicht erwahnte, da? er Egmonts Frau auf der Rosario gesehen hatte. Das war auch nicht notig, denn Dumaresq sagte:»Das einzige Schiff, das inzwischen ausgelaufen ist, war die Brigg. Er mu? an Bord sein. Wer einmal ein verdammter Verrater war, der bleibt es auch. Schon, er soll uns diesmal nicht entwischen, bei Gott nicht!»

Palliser sagte ernst:»Das also war der Grund fur all die Verzogerungen. Kein Trinkwasser, keine Audienz beim Vizekonig. Sie wollten uns hier festhalten. «Sein Ton klang plotzlich bitter.»Wir haben keine Bewegungsfreiheit, und sie wissen das.»

Uberraschenderweise zeigte Dumaresq ein breites Lacheln. Dann rief er:»Macmillan, ich mochte eine Rasur und ein Bad! Spillane, halten Sie sich bereit, einige Befehle fur Mr. Palliser niederzuschreiben. «Er ging zu den Heckfenstern und beugte sich uber das Sull, den Kopf zum Ruder gesenkt.»Suchen Sie sich ein paar gute Leute aus, Mr. Palliser, und schiffen Sie sich mit ihnen auf der Heloise ein. Treiben Sie moglichst wenig Aufwand, damit das Wachboot nicht aufmerksam wird. Nehmen Sie deshalb auch keine Seesoldaten mit. Gehen Sie Anker auf, und jagen Sie der verdammten Brigg nach. Verlieren Sie sie nicht aus den Augen!»

Bolitho beobachtete die Veranderung, die in Dumaresq vorging. Nun wurde auch klar, warum er Slade daran gehindert hatte, bis in die Innenreede zu segeln. Er hatte eine ahnliche Entwicklung vorausgesehen und nun einen Trumpf in der Hand — wie immer.

Pallisers Hirn arbeitet bereits auf vollen Touren.»Und Sie, Sir?»

Dumaresq beobachtete seinen Steward, der Seifennapf und Rasiermesser neben seinem Lieblingsstuhl bereitlegte.

«Mit oder ohne Trinkwasser, Mr. Palliser, ich werde heute nacht Anker lichten und Ihnen folgen.»

Palliser sah ihn zweifelnd an.»Die Batterie konnte das Feuer eroffnen, Sir!»

«Bei Tageslicht vielleicht. Aber es geht hier um sehr viel, auch um das, was man >Ehre< nennen konnte. Ich beabsichtige, das auszuloten. «Er wandte sich ab und entlie? sie damit, fugte dann aber noch hinzu:»Nehmen Sie den Dritten Offizier hier mit. Rhodes brauche ich, auch wenn sein Kopf von der Sauferei zu platzen droht, damit er Ihre Aufgaben hier an Bord ubernimmt.»

Zu anderer Zeit hatte Bolitho den Auftrag freudig begru?t, aber er hatte den Ausdruck in Pallisers Augen bemerkt und erinnerte sich an das Gesicht hinter den Kajutfenstern der Brigg. Aurora wurde ihn nun verachten. Es war vorbei, genau wie sein schoner Traum von ihr.

VIII Verfolgungsjagd

Leutnant Charles Palliser ging mit langen Schritten zum Kompa? der Heloise und schaute dann zum Wimpel an der Mastspitze hinauf.

Wie um seine Befurchtungen zu bekraftigen, sagte Slade, der amtierende Master:»Der Wind hat etwas gekrimpt und flaut au?erdem ab.»

Bolitho beobachtete Pallisers Reaktion und verglich sie mit der von Dumaresq. Ihr Kommandant lag mit der Destiny noch in Rio und beschaftigte sich zum Schein mit Routineangelegenheiten; so hatte er sogar zwei Matrosen zur Beforderungszeremonie vor versammelter Mannschaft auf dem Achterdeck empfangen. Den meisten Leuten der Besatzung war es vollig gleichgultig, ob die Trinkwasserprahme kamen oder ihr Kommandant vom Vizekonig empfangen wurde. Doch Bolitho wu?te, was in Dumaresqs Uberlegungen an vorderster Stelle stand: Egmonts Weigerung nachzugeben und seine plotzliche Abreise mit der Brigg Rosario. Ohne Egmonts Mitwirkung hatte Dumaresq keine andere Wahl, als weitere Weisungen von vorgesetzter Stelle abzuwarten. Inzwischen mu?te sich die hei?e Spur zu Garrick verlieren.

Slade hatte beobachtet, da? die Brigg auf Nordnordost-Kurs gegangen war. Egmont versuchte also, an der Kuste entlang in die Karibik zu segeln. Auf einem solch kleinen Handelsschiff konnte es fur seine junge Frau sicher recht ungemutlich werden.

Palliser kam zu Bolitho heruber. Auf dem beengten Deck der Brigantine wirkte er wie ein Riese, war jedoch ungewohnlich zufrieden, stellte Bolitho fest. Palliser konnte hier als sein eigener Herr handeln, wie es ihm richtig schien. Immer vorausgesetzt, da? er die Fuhlung zur Rosario nicht verlor. Aber da der Wind nun so rapide nachlie?, bestand immerhin die Gefahr.

«Sie erwarten nicht, da? sie verfolgt werden. Das ist unser einziger Vorteil. «Palliser schaute beunruhigt auf, als die Breitfock kraftlos hin- und herflappte, weil der Wind sie nicht mehr fullte. Jetzt fiel auch kein Schatten mehr auf die an Deck schwitzenden Manner.»Verdammt!«Dann:»Mr. Slade behauptet, die Brigg wurde unter Land bleiben. Wenn der Wind nicht umschlagt, kann er recht behalten. Wir laufen daher weiter auf diesem Kurs. Wechseln Sie die Ausguckposten so oft, wie Sie es fur erforderlich halten, und lassen Sie alle Waffen an Bord uberholen. «Er verschrankte die Hande auf dem Rucken.»Strengen Sie die Leute nicht zu sehr an!«Er sah Bolithos Uberraschung und beantwortete sie mit leichtem Lacheln.»Sie werden bald zu den Riemen greifen mussen. Ich beabsichtige, die Heloise von ihren Beibooten schleppen zu lassen. Da werden die Manner noch alle Kraft brauchen.»