Die Feuertaufe: Richard Bolitho - Fahnrich zur See, стр. 22

«Gauvins Schiff hat vierundzwanzig Kanonen gegen unsere vierzehn kleinen Quaker!«rief Starkie erschrocken aus.

Dancer fragte:»Als sie mit der Sandpiper die Barkentine nahmen — was wurde da aus der Mannschaft?»

«Abgeschlachtet wie Schweine«, antwortete Starkie grimmig,»und dann uber Bord!»

«Soviel also zum Negativen«, sagte Bolitho.»Und jetzt: was konnen wir gegen Gauvin ausrichten?»

Er ging nach Luv hinuber; das Spruhwasser prasselte ihm auf Hande und Gesicht. Dancer trat zu ihm.

«Er wird wissen, da? die Gorgon sudlich von uns steht. Und er wird annehmen, da? wir wieder zu ihr wollen.»

Bolitho blickte zu Starkie hinuber — ob man sich wohl auf sein Gedachtnis verlassen konnte?

«Wenn wir kreuzen, Mr. Starkie wie dicht konnen wir an die Landspitze heran?»

Starkie ri? vor Schreck die Augen weit auf.»Zu dieser verfluchten Insel zuruck, meinen Sie?»

«Ich meine: auf sie zu. Das ist etwas anderes.»

«Sehr gefahrlich. Sie mussen das doch wissen, wenn Sie die Landspitze umrundet haben. Da sind massenhaft Riffe, und viele stehen noch nicht mal auf der Karte.»

Im halben Selbstgesprach sagte Bolitho:»Vor Cornwall liegen ein paar Inseln — die Scillys hei?en sie. Ein Bristoler Kauffahrer wurde dort im letzten Krieg von einem franzosischen Kaperschiff gejagt. Der Kaper war viel schneller, aber der Kapitan des Kauffahrers kannte die Kuste und die Inseln sehr gut. Er segelte geradewegs uber ein Riff, und der Franzmann hinterher. Ri? sich den ganzen Kiel weg. Nicht ein einziger Mann wurde gerettet.»

Starkie blickte ihn verwirrt an.»Sie wollen Kurs durch das Riff steuern? Das ist es, was Sie von mir verlangen?»

Ein schwacher Sonnenstrahl scho? uber die Takelung. Das Bramsegel schimmerte wie ein goldenes Kruzifix.

«Haben wir denn eine andere Moglichkeit?«fragte Bolitho ernst.»Gefangenschaft oder vielleicht den Tod, weil er ein Exempel statuieren will, oder. . «Seine Worte blieben in der Luft hangen.

Starkie nickte entschlossen.»Wahrscheinlich krepieren wir so und so, aber bei Gott, das ist eine Chance, die den Versuch wert ist. «Er rieb sich die rauhen Hande.»Dann wollen wir mal ›Alle Mann‹ pfeifen und die Segel kurzen zum Uberstaggehen. Aber wenn der Wind umspringt, laufen wir auf Legerwall auf. «Unvermittelt stie? er ein tiefes kurzes Lachen aus, das sein zerfurchtes Gesicht fur einen Augenblick wieder jung erscheinen lie?.»Bei Gott, Mister wie Sie auch hei?en mogen — , wenn Sie mal Kapitan sind, mochte ich nicht mit Ihnen fahren. Wurde nicht lange dauern, und meine Nerven waren beim Teufel!»

Bolitho lachelte melancholisch, denn es wurde langsam heller, und er sah jetzt auf Deck die dunklen Flecken, wo die Manner gekampft hatten und gestorben waren, und die gesplitterten Einschlage der Drehbasse. Er warf Eden einen bedeutsamen Blick zu.»Sieh nach, wie es Mr. Hope geht. Versuch, ihm ein bi?chen Brandy zu geben. «Und als der Knabe zusammenzuckte:»Aber nicht aus Mr. Tergorrens Flasche, wenn ich bitten darf!»

Als Eden sich schon zum Achterdeck wandte, fugte er noch hinzu:»Und sieh nach, ob du eine britische Flagge findest. Dieser Pirat soll sehen, da? die Sandpiper wieder unter den richtigen Farben segelt!»

Dancer blickte ihn stumm an. Dann sagte er leise zu Starkie:»So habe ich ihn noch nie erlebt. Er will kampfen, das ist klar.»

Der Bootsmannsmaat ging zur Leereling hinuber und spuckte in das milchige Bugwasser.»Na, mein Junge, wenn Gauvin diese Flagge sieht, dann reicht das zum Kampf. Die sieht er namlich gar nicht gern.»

Eden kam mit einer Leinwandrolle zuruck.»Hab' eine gefunden, Dick. Hinter den B-brandyflaschen in der K-kajute.»

«Wie sind die Leutnants zuwege?«fragte Starkie gespannt. Vielleicht hoffte er, da? doch noch jemand anders die Verantwortung ubernehmen wurde.

Eden schob die Lippen vor.»Mr. Hope atmet ein b-bi?chen besser. Mr. Tergorren geht's d-dreckig.»

Starkie seufzte.»Na schon. Pfeifen wir ›Alle Mann an die Brassen‹. Wenn schon, denn schon. Hat keinen Sinn, die Sache noch lange aufzuschieben.»

Bolitho fa?te die Achterdeckreling und sah zu, wie die Manner an die Brassen und Falleinen rannten. Ihre Bewegungen waren unregelma?ig und ruckhaft, als standen sie noch unter dem Schock und waren ihrer selbst nicht recht sicher.

Es war wie ein Traum. Ein Traum von Piraten, von tapferen jungen Offizieren im Kampf gegen die Feinde des Vaterlandes.

Aber sehr schnell wurde ein Alptraum daraus. Nur der erste Teil stimmte: eine kleine Brigg, eine mutlose Mannschaft und ein paar halbe Knaben als Fuhrer.

Er dachte an seinen Vater und an Kapitan Conway, die mit Ruhe und Zuversicht auf ihre Geschutze und auf ihre seemannische Erfahrung vertrauen konnten.

Er rief:»Flagge setzen, Mr. Eden!«Sogar diese dienstlich formelle Anrede war etwas ganz Neues fur ihn. Und dann:»Klar zum Uberstaggehen!»

VIII Uber das Riff

«Kurs Sudsudost, Sir. Voll und bei.»

Bolitho fa?te in die Finknetze und beobachtete aufmerksam, wie die Sandpiper ihr Leeschanzkleid steil aus der See hob. Spruhwasser und Schaumfetzen flogen uber Deck. Matrosen waren dabei, mehr Segel zu setzen, und Bolitho blickte zur Gro?rah empor, die sich wie der Bogen einer riesigen Armbrust spannte.

«Der Wind frischt ein bi?chen auf«, sagte Starkie ganz heiser vor Erregung.»Aber er kommt stetig aus Nordost. Bis jetzt jedenfalls«, fugte er grimmig hinzu.

Bolitho horte kaum hin. Er beobachtete, wie die Brigg arbeitete, wie sie sich mit jeder anbrandenden, wei?bemutzten Welle hob und dann wieder ins Wellental hinabschmetterte.

Seit dem Uberstaggehen, seit die vergoldete Galionsfigur wieder landwarts zeigte, spurte er, da? die Stimmung im Schiff anders war. Selbst die Manner der Stammbesatzung, von denen viele noch eiternde Wunden und grausame Verletzungen von der Gefangenschaft her aufwiesen, tauschten wohlgemute Zurufe und taten ihr Bestes, um jeden Quadratzoll Leinwand zu setzen, den die Brigg tragen konnte, ohne da? die Masten brachen. Nur wenn sie auf das Achterdeck blickten, wurden sie unsicher. Vielleicht, dachte Bolitho, hofften sie immer noch, dort ihren jungen Kapitan an der Reling zu sehen, als konnten sie durch solch eine unsinnige Hoffnung ihre bosen Erinnerungen verdrangen.

Uber das Klingen und Sausen von Leinwand und Wind hinweg horte er Dancers Stimme:»Sie fliegt wie ein Vogel, Dick!»

Er nickte. Tief tauchte der Bug in die hoch anrollenden Wellen, und wie ein festes wei?es Laken breitete sich der Schaum uber den Schiffsschnabel.

«Aye. «Er blickte achteraus.»Siehst du die Fregatte?«Er packte Dancer erregt beim Arm.»Da ist sie! Und auch sie setzt mehr Segel. «Im aufsteigenden Morgenlicht, vor dem jetzt die Finsternis mehr und mehr auf die offene See wich, konnte er Mars- und Bramsegel des feindlichen Schiffes ausmachen, deren Umrisse sich anderten, als es ebenfalls auf den anderen Bug ging und, die Verfolgung aufnehmend, direkt hinter ihnen herkam. Er zeigte auf die Flagge im Topp der Brigg, die sich leuchtend gegen den truben Himmel abhob.

«Mr. Starkie hat anscheinend recht. Unser Gegner ist wutend.»

Vorgeneigt, um die steile Krangung des Decks auszugleichen, schritt Starkie nach Luv hinuber.

«Ich halte sie so dicht vorm Wind, wie ich riskieren kann. Noch ein Strich mehr, dann la?t sie sich nicht mehr steuern.»

Bolitho nahm ein Fernglas aus der Halterung und richtete es auf das Land. Als er im Gewirr der vibrierenden Wanten und Falleinen einen Stutzpunkt suchte, sah er, wie die bleichen Gesichter einiger Matrosen sich ihm zuwandten was mochten sie wohl denken, jetzt, da die Brigg Kurs auf die Kuste nahm, ausgerechnet dorthin, wo ihre Leiden und Demutigungen begonnen hatten?

Da bekam er die Landspitze ins Blickfeld, die aus der kochenden Brandung wie der Schnabel einer romischen Galeere herausragte. Wie anders war der Anblick vom Kutter aus gewesen, und wie lange war das her! Er mu?te sich zusammenrei?en, um sich daruber klarzuwerden, da? es erst gestern gewesen war.