Сиддхартха (На немецком языке), стр. 8

Aus diesem Augenblick, wo die Welt rings von ihm wegschmolz, wo er allein stand wie ein Stern am Himmel, aus diesem Augenblick einer KXlte und Verzagtheit tauchte Siddhartha empor, mehr Ich als zuvor, fester geballt. Er fXhlte: Dies war der letzte Schauder des Erwachens gewesen, der letzte Krampf der Geburt. Und alsbald schritt er wieder aus, begann rasch und ungeduldig zu gehen, nicht mehr nach Hause, nicht mehr zum Vater, nicht mehr zurXck.

Zweiter teil. KAMALA

XWilhelm Gundert meinem Vetter in Japan gewidmet

Siddhartha lernte Neues auf jedem Schritt seines Weges, denn die Welt war verwandelt, und sein Herz war bezaubert. Er sah die Sonne Xberm Waldgebirge aufgehen und Xberm fernen Palmenstrande untergehen. Er sah nachts am Himmel die Sterne geordnet, und den Sichelmond wie ein Boot im Blauen schwimmend. Er sah BXume, Sterne, Tiere, Wolken, Regenbogen, Felsen, KrXuter, Blumen, Bach und Fluss, Taublitz im morgendIichen GestrXuch, ferne hohe Berge blau und bleich, VXgel sangen und Bienen, Wind wehte silbern im Reisfelde. Dies alles, tausendfalt und bunt, war immer dagewesen, immer hatten Sonne und Mond geschienen, immer FlXsse gerauscht und Bienen gesummt, aber es war in den frXheren Zeiten fXr Siddhartha dies alles nichts gewesen als ein flXchtiger und trXgerischer Schleier vor seinem Auge, mit Misstrauen betrachtet, dazu bestimmt, vom Gedanken durchdrungen und vernichtet zu werden, da es nicht Wesen war, da das Wesen jenseits der Sichtbarkeit lag. Nun aber weilte sein befreites Auge diesseits, es sah und erkannte die Sichtbarkeit, suchte Heimat in dieser Welt, suchte nicht das Wesen, zielte in kein Jenseits. SchXn war die Welt, wenn man sie so betrachtete, so ohne Suchen, so einfach, so kinderhaft. SchXn war Mond und Gestirn, schXn war Bach und Ufer, Wald und Fels, Ziege und GoldkXfer, Blume und Schmetterling. SchXn und lieblich war es, so durch die Welt zu gehen, so kindlich, so erwacht, so dem Nahen aufgetan, so ohne Misstrauen. Anders brannte die Sonne aufs Haupt, anders kXhlte der Waldschatten, anders schmeckte Bach und Zisterne, anders KXrbis und Banane. Kurz waren die Tage, kurz die NXchte, jede Stunde floh schnell hinweg wie ein Segel auf dem Meere, unterm Segel ein Schiff voll von SchXtzen, voll von Freuden. Siddhartha sah ein Affenvolk im hohen WaldgewXlbe wandern, hoch im GeXst, und hXrte seinen wilden, gierigen Gesang. Siddhartha sah einen Schafbock ein Schaf verfolgen und begatten. Er sah in einem Schilfsee den Hecht im Abendhunger jagen, vor ihm her schnellten angstvoll, flatternd und blitzend die jungen Fische in Scharen aus dem Wasser, Kraft und Leidenschaft duftete dringlich aus den hastigen Wasserwirbeln, die der ungestXm Jagende zog.

All dieses war immer gewesen, und er hatte es nicht gesehen; er war nicht dabei gewesen. Jetzt war er dabei, er gehXrte dazu. Durch sein Auge lief Licht und Schatten, durch sein Herz lief Stern und Mond.

Siddhartha erinnerte sich unterwegs auch alles dessen, was er im Garten Jetavana erlebt hatte, der Lehre, die er dort gehXrt, des gXttlichen Buddha, des Abschiedes von Govinda, des GesprXches mit dem Erhabenen. Seiner eigenen Worte, die er zum Erhabenen gesprochen hatte, erinnerte er sich wieder, jedes Wortes, und mit Erstaunen wurde er dessen inne, dass er da Dinge gesagt hatte, die er damals noch gar nicht eigentlich wusste. Was er zu Gotama gesagt hatte: sein, des Buddha, Schatz und Geheimnis sei nicht die Lehre, sondern das Unaussprechliche und nicht Lehrbare, das er einst zur Stunde seiner Erleuchtung erlebt habe X dies war es ja eben, was zu erleben er jetzt auszog, was zu erleben er jetzt begann. Sich selbst musste er jetzt erleben. Wohl hatte er schon lange gewusst, dass sein Selbst Atman sei, vom selben ewigen Wesen wie Brahman. Aber nie hatte er dies Selbst wirklich gefunden, weil er es mit dem Netz des Gedankens hatte fangen wollen. War auch gewiss der KXrper nicht das Selbst, und nicht das Spiel der Sinne, so war es doch auch das Denken nicht, nicht der Verstand, nicht die erlernte Weisheit, nicht die erlernte Kunst, SchlXsse zu ziehen und aus schon Gedachtem neue Gedanken zu spinnen. Nein, auch diese Gedankenwelt war noch diesseits, und es fXhrte zu keinem Ziele, wenn man das zufXllige Ich der Sinne tXtete, dafXr aber das zufXllige Ich der Gedanken und Gelehrsamkeiten mXstete. Beide, die Gedanken wie die Sinne, waren hXbsche Dinge, hinter beiden lag der letzte Sinn verborgen, beide galt es zu hXren, mit beiden zu spielen, beide weder zu verachten noch zu XberschXtzen, aus beiden die geheimen Stimmen des Innersten zu erlauschen. Nach nichts wollte er trachten, als wonach die Stimme ihm zu trachten befXhle, bei nichts verweilen, als wo die Stimme es riete. Warum war Gotama einst, in der Stunde der Stunden, unter dem Bo-Baume niedergesessen, wo die Erleuchtung ihn traf? Er hatte eine Stimme gehXrt, eine Stimme im eigenen Herzen, die ihm befahl, unter diesem Baume Rast zu suchen, und er hatte nicht Kasteiung, Opfer, Bad oder Gebet, nicht Essen noch Trinken, nicht Schlaf noch Traum vorgezogen, er hatte der Stimme gehorcht. So zu gehorchen, nicht XuXerm Befehl, nur der Stimme, so bereit zu sein, das war gut, das war notwendig, nichts anderes war notwendig.

In der Nacht, da er in der strohernen HXtte eines FXhrmanns am Flusse schlief, hatte Siddhartha einen Traum: Govinda stand vor ihm, in einem gelben Asketengewand. Traurig sah Govinda aus, traurig fragte er: Warum hast du mich verlassen? Da umarmte er Govinda, schlang seine Arme um ihn, und indem er ihn an seine Brust zog und kXsste, war es nicht Govinda mehr, sondern ein Weib, und aus des Weibes Gewand quoll eine volle Brust, an der lag Siddhartha und trank, sX und stark schmeckte die Milch dieser Brust. Sie schmeckte nach Weib und Mann, nach Sonne und Wald, nach Tier und Blume, nach jeder Frucht, nach jeder Lust. Sie machte trunken und bewusstlos. X Als Siddhartha erwachte, schimmerte der bleiche Fluss durch die TXr der HXtte, und im Walde klang tief und wohllaut ein dunkler Eulenruf.

Als der Tag begann, bat Siddhartha seinen Gastgeber, den FXhrmann, ihn Xber den Fluss zu setzen. Der FXhrmann setzte ihn auf seinem Bambusfloss Xber den Fluss, rXtlich schimmerte im Morgenschein das breite Wasser.

"Das ist ein schXner Fluss," sagte er zu seinem Begleiter.

"Ja," sagte der FXhrmann, "ein sehr schXner Fluss, ich liebe ihn Xber alles. Oft habe ich ihm zugehXrt, oft in seine Augen gesehen, und immer habe ich von ihm gelernt. Man kann viel von einem Flusse lernen."

"Ich danke dir, mein WohltXter," sprach Siddhartha, da er ans andere Ufer stieg. "Kein Gastgeschenk habe ich dir zu geben, Lieber, und keinen Lohn zu geben. Ein Heimatloser bin ich, ein Brahmanensohn und Samana."

"Ich sah es wohl," sprach der FXhrmann, "und ich habe keinen Lohn vor dir erwartet, und kein Gastgeschenk. Du wirst mir das Geschenk ein anderes Mal geben."

"Glaubst du?" sagte Siddhartha lustig.

"Gewiss. Auch das habe ich vom Flusse gelernt: alles kommt wieder! Auch du, Samana, wirst wieder kommen. Nun lebe wohl! MXge deine Freundschaft mein Lohn sein. MXgest du meiner gedenken, wenn du den GXttern opferst."

LXchelnd schieden sie voneinander. LXchelnd freute sich Siddhartha Xber die Freundschaft und Freundlichkeit des FXhrmanns. "Wie Govinda ist er," dachte er lXchelnd, "alle, die ich auf meinem Wege antreffe, sind wie Govinda. Alle sind dankbar, obwohl sie selbst Anspruch auf Dank hXtten. Alle sind unterwXrfig, alle mXgen gern Freund sein, gern gehorchen, wenig denken. Kinder sind die Menschen."

Um die Mittagszeit kam er durch ein Dorf. Vor den LehmhXtten wXlzten sich Kinder auf der Gasse, spielten mit KXrbiskernen und Muscheln, schrien und balgten sich, flohen aber alle scheu vor dem fremden Samana. Am Ende des Dorfes fXhrte der Weg durch einen Bach, und am Rande des Baches kniete ein junges Weib und wusch Kleider. Als Siddhartha sie grXte, hob sie den Kopf, und blickte mit LXcheln zu ihm auf, dass er das WeiXe in ihrem Auge blitzen sah. Er rief einen Segensspruch hinXber, wie er unter Reisenden Xblich ist, und fragte, wie weit der Weg bis zur groXen Stadt noch sei. Da stand sie auf und trat zu ihm her, schXn schimmerte ihr feuchter Mund im jungen Gesicht. Sie tauschte Scherzreden mit ihm, fragte, ob er schon gegessen habe, und ob es wahr sei, dass die Samanas nachts allein im Walde schliefen und keine Frauen bei sich haben dXrfen. Dabei setzte sie ihren linken FuX auf seinen rechten und machte eine Bewegung, wie die Frau sie macht, wenn sie den Mann zu jener Art des Liebesgenusses auffordert, welchen die LehrbXcher "das Baumbesteigen" nennen. Siddhartha fXhlte sein Blut erwarmen, und da sein Traum ihm in diesem Augenblick wieder einfiel, bXckte er sich ein wenig zu dem Weibe herab und kXsste mit den Lippen die braune Spitze ihrer Brust. Aufschauend sah er ihr Gesicht voll Verlangen lXcheln und die verkleinerten Augen in Sehnsucht flehen.